VON ANFANG AN … UND ZU ENDE GEDACHT!
GUT GEPLANT…
Schon in den ersten Schritten der PLANUNGSPHASE einer Straße werden Natur und Landschaft in ihrem Bestand erfasst und bewertet. Nach einer umfassenden Konfliktermittlung werden in einem komplexen Prozess ein Konzept erstellt und zuletzt die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geplant (=Kompensation). Die Kompensationsmaßnahmen werden so zu einem wesentlichen Teil der Baurechtsschaffung (Planfeststellung, Plangenehmigung oder auch bei Erhaltungsmaßnahmen).
VON DER GENEHMIGUNG IN RICHTUNG AUSFÜHRUNG
Gerade nach der Genehmigungsphase gibt es Einiges zu beachten. Es liegt dann in der Regel ein Landschaftspflegerischer Begleitplan (LBP) vor. Der Landschaftspflegerische Ausführungsplan (LAP) stellt die aus dem LBP und damit den baurechtlichen Auflagen abgeleitete und ausführungsreife Form für eine Ausschreibung dar. Die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen ist an enge räumliche und zeitliche Vorgaben gebunden, die es bis in die Ausgestaltung der Bauverträge zu berücksichtigen gilt – für den Landschaftsbau, aber auch für alle anderen Gewerke.
STRASSEN.NRW BAUT LANDSCHAFT
Mit der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen und auch bei der Rekultivierung der abgeschlossenen Baustelle sind die Kolleg*innen im Landschaftsbau mit der Fachbauaufsicht betraut.
Unterstützung bekommen alle an der Bauvorbereitung und Bauausführung Beteiligten durch die Umweltbaubegleitung. Die Umweltbaubegleitung steht den Fachbauüberwachungen und Baufirmen beratend zur Seite. Sie hilft dem Vorhabenträger die umweltrechtlichen Vorgaben aus der Baurechtsschaffung umzusetzen. Einige Fachgesetze gelten auch unabhängig von der Baurechtsschaffung – prominent sind der Besondere Artenschutz, verankert im Bundesnaturschutzgesetz, und das Umweltschadensgesetz.
VON DER BAUPHASE IN DIE UNTERHALTUNG
Wenn die komplexen planerischen Vorarbeiten abgeschlossen wurden und die Kompensationsmaßnahmen hergestellt sind, ist die Arbeit des Vorhabenträgers lange nicht zu Ende. Die Kompensationsverpflichtung hält im Regelfall auch so lange wie der Eingriff in Natur und Landschaft andauert. Die prächtige Streuobstwiese, das Eidechsenhabitat oder die Feuchtwiese erfordern intensive Kontrolle und dauerhafte Pflege.
In Agrarregionen führen wir häufig sogenannte produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen durch – dann findet Kompensation im Zuge einer abgeschwächten landwirtschaftlichen Nutzung statt (extensiv). Weil auf häufiges Mähen, Herbizide und Dünger verzichtet wird, kann es auch zu Problemen auf Nachbarkulturen führen, z.B. Disteln oder Neophyten. Es bedarf regelmäßiger Kontrollen und der Steuerung der Pflege.
Standardkontrollen im Straßenbau
… DIE ‚NEUEN‘ HERAUSFORDERUNGEN:
Wir als Vorhabenträger kommen mit der Kompensation einer rechtlichen, aber auch gesellschaftlichen Verpflichtung nach. Allerdings wird die Erfüllung dieser Aufgabe auch durch die aktuellen GESELLSCHAFTLICHEN HERAUSFORDERUNGEN schwieriger.
Links extensiv bewirtschafteter
Acker/Blühstreifen (mit vielen Beikräutern).
Rechts konventioneller Maisacker (2019).
MENSCHENGEMACHTER KLIMAWANDEL UND DER VERLUST DER BIODIVERSITÄT
Der menschengemachte Klimawandel hat verstärkt Auswirkungen auf die Umsetzung und die Pflege von Kompensationsmaßnahmen. In vielen Gebieten setzen die zunehmenden Dürren den neu gepflanzten sowie den bestehenden Bäumen zunehmend zu. Krankheiten und bestandsgefährdende Parasiten und/oder Pilze gewinnen - im negativen Wortsinn - an Bedeutung.
Die Anlage von Feuchtlebensräumen, z.B. Gewässer für Amphibien mit einer Wasserführung in der Laichzeit und während der Larvalentwicklung, wird in vielen Regionen schwierig bis unmöglich. Es droht, dass teilweise Entwicklungsziele für Zielarten nicht erreicht werden könnten. Aufwändige Alternativen oder andere Standorte müssen in solchen Fällen gedacht und gesucht werden.
Ein großes Problem stellen außerdem invasive Neophyten dar. Das gilt auch bzw. gerade in der Herstellung und Pflege von Kompensationsflächen. Solche invasiven Arten sind so durchsetzungsfähig, dass sie einheimische Bestände verdrängen können. Prominentes Beispiel ist der Riesenbärenklau. Solche Fehlentwicklungen sind nur schwierig und mit hohem finanziellen und personellen Aufwand in den Griff zu bekommen. Das gilt insbesondere, wenn die Ausbreitung dieser Arten zu spät erkannt wird.
Der nachgewiesene weltweite Rückgang der Biodiversität hat die Gesetzgebung zum Handeln veranlasst. In den letzten beiden Jahrzehnten sind deswegen EU-Richtlinien in nationales Recht überführt worden. Das Artenschutzrecht, die Wasserrahmen- und FFH-Richtlinie sowie zuletzt das Klimaschutzgesetz machen auch die Umsetzung und Unterhaltung von Kompensationsmaßnahmen fachlich und rechtlich anspruchsvoller.
Bewässerung Rollrasenkultur, intensive Agrarlandschaft – extensiv genutzte Kompensationsflächen gewinnen an Bedeutung.
Dürren und Kalamitäten setzen Baumbeständen weiter zu (exemplarisch hier starker Borkenkäferbefall im Mittelgebirge).
DIGITALISIERUNG UND BUILDING INFORMATION MODELING (BIM)
DIE DIGITALISIERUNG und das Thema BIM macht auch vor unseren Kompensationsflächen nicht halt. Aufgrund der komplexen Aufgabe ist es wichtig, dass auch weitere am Lebenszyklus Straße Beteiligte die Möglichkeit haben, sich Informationen über Kompensationsflächen zu beschaffen (Projektleitung, Bauüberwachung, Grunderwerb, Straßenmeistereien, Behörden). Und weil die Kompensationsflächen über den gesamten Zyklus verwaltet und gepflegt werden, sind Transparenz, Eindeutigkeit und die Verfügbarkeit der Daten wichtige Ziele.
Die Katasterlösungen der Bundesländer wurden fortwährend weiterentwickelt, dennoch halten sie oft nicht diesen aktuellen Anforderungen stand. Insbesondere das unabhängige und mobile Arbeiten im Gelände sind uns Anliegen, die wir gerade intensiv verfolgen wollen. Die Dateneingabe, -pflege und -abfrage müssen intuitiver, benutzerfreundlicher und geräteunabhängig möglich sein (z.B. App-Benutzung). Wie in allen Bereichen werden Schnittstellen zu anderen Fachanwendungen immer wichtiger (z.B. Projektmanagement, Vergabemanagement).
NWKIS Katasterbestand der Flächenanteile der Teilmaßnahmen
NUTZUNGSKONFLIKTE
Unsere Kompensationsflächen sind nicht nur für die gedachten Zielarten spannend und ansprechend. Oftmals werden sie leider als nicht genehmigte Lagerflächen, illegale Deponien oder einfach als Hundewiese genutzt. Diese Formen der Fremdnutzung widersprechen dem geplanten und in der Baurechtsschaffung abgestimmten Maßnahmenkonzept und sind daher unerwünscht. Die „Nachbarn“ unserer Flächen sind oft auch nicht glücklich über die Natur, die sich auch manchmal anders verhält, als man es sich vorstellt. Die zu starke Ausbreitung von Disteln kann so zu Unstimmigkeiten führen, die es zu klären gilt (Aufklärung und ggf. Pflegeanpassung).
All die oben genannten Phasen erfordern fachliche und rechtliche Qualifikation, Fingerspitzengefühl und Leidenschaft unserer Kolleg*innen für das Thema Kompensation. Als attraktiver Arbeitgeber suchen wir daher ständig Verstärkung.
Praxisbeispiel Ortsumgehung Beckum
Auf der Ortsumgehung Beckum wird der überörtliche Verkehr demnächst besondere Wege fahren. Um den Verbrauch wertvoller landwirtschaftlicher Nutzflächen auf ein Minimum zu reduzieren, führen ca. 3/4 der Strecke durch ehemalige bzw. noch aktive Kalksteinabbaugebiete. Und wenn der Kalksteinabbau in ein paar Jahren endet, werden die Pumpen abgestellt, der Grundwasserstand steigt und die Straße verläuft durch eine Seenlandschaft. Doch auch schon jetzt gibt es in diesem Gebiet geschützte Tierarten.
Durch spezielle bauliche und landschaftspflegerische Maßnahmen werden Konflikte zwischen der Straße mit den Tierlebensräumen, Wanderkorridoren und Flugrouten vermieden, minimiert oder kompensiert (siehe oben Abschnitt „gut geplant“). Hierzu gehört u.a. der Einbau von Kleintierdurchlässen (sogenannte Amphibientunnel) oder die Pflanzung von Überflughilfen entlang von Straßen, die Fledermäuse und Vögel auf eine ausreichende Flughöhe bringen, so dass Kollisionen mit Fahrzeugen vermieden werden.
Wurzelschutzmaßnahmen
Bei nahezu allen Straßenbauprojekten kommen die Projektbeteiligten während der Bauphase früher oder später immer auch mit dem Schutz von angrenzenden Bäumen und insbesondere dessen Wurzeln in Berührung. Solche Wurzelschutzmaßnahmen haben immer größere Bedeutung bei Straßen- sowie Geh-/Radwegesanierungen. Ziel ist es, die zwingend erforderlichen Sanierungen sowie den Schutz und Erhalt des wertvollen Baumbestandes entlang der Bundes- und Landesstraßen in NRW in Einklang zu bringen.
Die Berücksichtigung von Baum- und Wurzelschutzmaßnahmen beginnt deshalb schon frühzeitig in der Ausführungsplanung. Bereits hier werden Vegetationsschutzmaßnahmen, Bauverfahren zur Vermeidung von Wurzelschäden oder auch die Behandlung unvermeidbarer Wurzelschäden geplant. Bei komplexen Maßnahmen oder besonders wertvollem Baumbestand wird eine Baumschutzfachkraft (z.B. ein*e speziell ausgebildetete*r „Fachagrarwirt*in Baumpflege“) hinzugezogen
Ein vergleichsweise neues Instrument für den Wurzelschutz von Bäumen an Verkehrsflächen ist der Einbau sogenannter Wurzelüberbrückungen (oder auch Wurzelbrücken), welche beispielsweise in Form von Stahlplatten, Geotextil-Waben oder modularen Stahlgitter verbaut werden können, wie im folgenden Film zu sehen ist. Sie dienen zum einen dem Schutz der Baumwurzeln während der Baumaßnahme und der nachfolgenden Nutzung der Verkehrsfläche, zum anderen wird auch die neu gebaute Wegedecke vor Anhebungen durch Wurzeln geschützt.