RADVERKEHRSMODELL THÜRINGEN
Die Straßenbauverwaltung des Freistaats Thüringen beabsichtigt mit Erarbeitung der Verkehrsprognose 2040 im Landesverkehrsmodell die Entwicklung eines landesweiten Radverkehrsmodells.
Zu dessen Vorbereitung wurde im Rahmen eines laufenden Kooperationsprojektes zwischen dem Institut Verkehr und Raum der Fachhochschule Erfurt und der Thüringer Straßenbauverwaltung die Machbarkeit eines Landesradverkehrsmodells eruiert. Dies erfolgte anhand der Modellregionen Landkreis Sömmerda und Landkreis Weimarer Land. Die Grundlage des Radverkehrsnetzes bildet hierbei das für den Radverkehr befahrbare Streckennetz des Radroutenplaners Thüringen, Stand Oktober 2020.
Als Grundlage der Nachfragemodellierung kommt das detaillierte Verfahren des Leitfadens „Radschnellverbindungen – Leitfaden zur Potenzialanalyse und Nutzen-Kosten-Analyse“ der Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 2019 zur Anwendung.
Ziel des Modellprojektes war:
- der Nachweis der grundlegenden Machbarkeit eines Landesradverkehrsmodells,
- die Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Modal-Split-Funktionen auf die Radverkehrsnachfrage incl. Entwicklung von Modellparametern für Thüringen und
- eine Plausibilitätsabschätzung der Ergebnisse sowie eine Aufwandsanalyse.
Im Ergebnis wurde eine grundlegende Machbarkeit eines Landesradverkehrsmodells
für den Freistaat Thüringen nachgewiesen.
Die folgende Abbildung zeigt das Radverkehrspotential an unterschiedlichen Vergleichsquerschnitten im Landkreis Sömmerda.
Eine besondere Herausforderung des Modellprojektes war die Ermittlung gültiger Modellparametersätze für die Berechnung des Radverkehrspotentials für den Freistaat Thüringen. Einen Grundbaustein bildet die Auswertung der Rohdaten der Untersuchung „Mobilität in Deutschland für das Jahr 2017“ (MID 2017). Dabei wurden thüringenspezifische Befragungsdaten der MID ausgewertet. Im Ergebnis konnten über heuristische Verfahren Modellparameter entwickelt werden, welche die Thüringer Radverkehrsverhältnisse bestmöglich abbilden. Die folgende Grafik zeigt die empfohlenen Standardparameter und die Realdaten aus der MID 2017 für Thüringen.
Modellstudie – Entwickelte Modellparameter für Thüringen
Mit dem bestehenden Verkehrsmodell Thüringen kann gegenwärtig sowohl der öffentliche Verkehr als auch der motorisierte Individualverkehr abgebildet werden.
Mit der Erweiterung um den Verkehrsträger Fahrrad wird in besonderem Maße dem verkehrsträgerübergreifenden, integrierten Ansatz des Verkehrsmodells Thüringen Rechnung getragen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden zusätzlich zum Netz des bestehenden Landesverkehrsmodells für den Kraftfahrzeugverkehr insgesamt ca. 9.500 km neue Radinfrastruktur eingepflegt.
Eine besondere Herausforderung ist dabei der baulastträgerübergreifende Grundansatz und die Datenverfügbarkeit für die landesweite Radverkehrsmodellierung. Die Nachfragemodellierung auf Basis des Leitfadens „Radschnellverbindungen – Leitfaden zur Potentialanalyse und Nutzen-Kosten-Analyse“ und die Entwicklung Thüringer Modellparameter sind abgeschlossen.
Mit Vorliegen der bundesweiten Mobilitäts- und Verkehrsprognose und der Fortschreibung des Verkehrsmodells Thüringen auf die Prognose 2040 können im Freistaat Thüringen erstmals Radverkehrspotentiale auf Landesebene ausgewiesen werden.
Somit wird zukünftig die Möglichkeit bestehen
- Erfordernisnachweise für Radverkehrsanlagen effizienter zu gestalten,
- Netzkonzepte für den Radverkehr im Hinblick auf sich einstellende Potentiale und Nutzerzahlen weiter zu qualifizieren,
- fehlende Radverkehrsverknüpfungen des ländlichen Raums zu lokalisieren und
- fundierte Grundlagen für kleinräumige Verkehrsuntersuchungen im Radverkehr bereit zu stellen.
Darüber hinaus wird das Radverkehrsmodell Thüringen einen maßgebenden Baustein für die baulastträgerübergreifende Umsetzung des Radhauptroutennetzes in Thüringen bilden.
WEITERENTWICKLUNG RADROUTENNETZ THÜRINGEN – KONZEPT ALLTAGSHAUPTROUTENNETZ
Im Radverkehrskonzept 2.0 für den Freistaat Thüringen (RVK 2.0) aus dem Jahr 2018 wurde das Zielkonzept Radroutennetz Thüringen für die Netzebenen I ‚Radfernnetz‘ und IIa ‚touristische Radhauptrouten‘ festgelegt und die Aufgabe formuliert, die alltagstauglichen Radhauptrouten der Netzebene IIb gemeinsam mit den Kommunen zu entwickeln (Abbildung 1). Die Netzebene III ‚lokale Radrouten‘ wird durch die Netzplanungen der Landkreise, kreisfreien und kreisangehörigen Städte und Gemeinden gebildet. Die lokalen Radrouten verdichten und komplettieren das Radroutennetz Thüringen. Die folgende Abbildung zeigt den Netzaufbau und die -hierarchisierung.
Netzebenen des Radroutennetzes Thüringen
In einem vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) initiierten Projekt wurde bis Ende 2023 ein flächendeckendes Netz alltagstauglicher Radhauptrouten (Alltagshauptroutennetz) entwickelt, das alle Zentralen Orte bis zum Grundzentrum miteinander verbindet.
Die Erstellung des baulastträgerübergreifenden Hauptroutennetzes für den Alltagsradverkehr erfolgte in drei wesentlichen Schritten, die somit die generelle Vorgehensweise abbilden:
- Erstellung eines „Wunschliniennetzes“ (gebildet aus Zielrelationen) als gerade Verbindung zwischen den festgelegten Netzschwerpunkten (Zentrale Orte),
- Erstellung des Entwurfs des Alltagshauptroutennetzes,
- Abstimmung des Entwurfs des Alltagshauptroutennetzes mit Kommunen, ausgewählten Verbänden und der Landesverwaltung.
Karte Wunschlinien für Alltagshauptroutennetz
Unter Nutzung der Meldungen aus dem Beteiligungstool wurden durch Eingaben der Beteiligten Nutzergruppen (Kreise, Gemeinden, Landesverwaltung, Vereine) der finale Netzentwurf für das Alltagshauptroutennetz erstellt und mit der Projektarbeitsgruppe abgestimmt. Die Projektarbeitsgruppe setzte sich aus Vertretern des TMIL, der vier Regionalbereiche des TLBV sowie des Referates Netzplanung, Radverkehr, Umwelt und baufachliche Projektprüfung des TLBV zusammen.
Projektübersicht – Verfahrensablauf
Für das entwickelte Netz wurden die Streckenabschnitte identifiziert, bei denen aufgrund von Informationen aus dem Beteiligungsprozess oder aufgrund von Datenauswertungen potenziell ein Handlungsbedarf zur Ertüchtigung besteht.
Im Rahmen des Projektes wurden folgende Berichte
auf der Internetpräsenz des TMIL veröffentlicht:
- Radroutennetz Thüringen –
Netz der alltagstauglichen Radhauptrouten – Kurzfassung - Radroutennetz Thüringen –
Netz der alltagstauglichen Radhauptrouten – Methodisches Vorgehen - Radroutennetz Thüringen –
Qualitätsstandards für die Führung des Radverkehrs in Thüringen
Längenauswertung
Das im Projekt entwickelte Netz der alltagstauglichen Radhauptrouten in Thüringen ist in einer Reihe von unterschiedlichen Kartenwerken dokumentiert. Diese Karten enthalten je nach Zielgruppe unterschiedliche Einträge.
Folgende Kartenwerke wurden erstellt:
- Übersichtskarten auf Freistaatebene im Format DIN A3,
- Übersichtskarten des Alltagshauptroutennetzes auf Ebene eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt,
- Detailkarten für Planungsregionen und auf Ebene eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt,
- Einzeldossiers zur Visualisierung des potenziellen Handlungsbedarfs für Netzabschnitte mit einer Länge von mehr als 50 m.
In Analogie zum Radfernnetz und den touristischen Radhauptrouten ist das Netz der alltagstauglichen Radhauptrouten ein Konzept, das durch den Freistaat und die Kommunen weiterentwickelt und optimiert werden kann und soll. Vorschläge für Änderungen können die Kommunen und Kreise der Straßenbauverwaltung mitteilen. Die Änderungsvorschläge werden im Hinblick auf die Kriterien alltagstauglicher Radhauptrouten geprüft und bei positivem Ergebnis in das Zielkonzept aufgenommen.
Darüber bildet das baulastträgerübergreifende Radhauptroutennetz in Thüringen einen maßgebenden Baustein für die Erarbeitung des Radverkehrsmodells Thüringen.