
ThüLIS – THÜRINGER LÄRMINFORMATIONSSYSTEM
IT-gestütztes Managementsystem zur Erstellung eines flächendeckenden Lärmkatasters und den daraus resultierenden Lärmbetroffenheiten im Rahmen der Lärmsanierung im Thüringer Straßennetz
Mit der Aktualisierung der 16. BImSchV und der Einführung der RLS-19 ergab sich für die Straßenbauverwaltung des Freistaats Thüringen die Notwendigkeit, eine zeitgemäße und erweiterbare IT-gestützte Plattform zur Berechnung und Analyse der Lärmeinwirkungen auf die schutzwürdigen Nutzungen in den Ortsdurchfahrten der bestehenden Bundes-und Landesstraßen zu schaffen.
Mit dem „Thüringer Lärminformationssystem“ (ThüLIS) wurde auf Basis der derzeit aktuellen Berechnungsvorschriften ein solches Berechnungs-und Analysetool entwickelt.
Verkehrslärm und Lärmsanierung – die Rechtsgrundlagen
Lärm beeinträchtigt das Leben vieler Menschen. So fühlen sich 76 Prozent der deutschen Bevölkerung von Straßenverkehrslärm gestört oder belästigt, 43 Prozent von Flugverkehrslärm, 34 Prozent durch Schienenverkehrslärm. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage mit etwa 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum „Umweltbewusstsein in Deutschland 2020“. ¹
Der Lärmschutz an Straßen, die entsprechenden Immissionsgrenzwerte bzw. Auslösewerte sowie die erforderlichen baulichen Maßnahmen (aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen) werden im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BlmSchV), der Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97) und der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BlmSchV) geregelt.
Aktive Lärmschutzmaßnahmen
Aktive Lärmschutzmaßnahmen, hierzu zählen Lärmschutzwände, Lärmschutzwälle und lärmmindernde Fahrbahnbeläge, vermindern die Emissionen an der Quelle bzw. auf dem Ausbreitungsweg.
Passive Lärmschutzmaßnahmen
Passive Lärmschutzmaßnahmen beziehen sich auf die bauliche Ertüchtigungen lärmbetroffener Gebäude. Hierzu zählen z. B. Lärmschutzfenster, Schalldämmlüfter sowie die Dämmung von Rollladenkästen, Dächer oder Wände.
Passive Lärmschutzmaßnahmen sind dann vorzusehen, wenn aktive Lärmschutzmaßnahmen nicht ausreichen, nicht möglich sind bzw. ihre Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zum eigentlichen Lärmschutzzweck stehen.
Lärmschutzmaßnahmen durch Lärmsanierung
An bestehenden Bundes- und Landesstraßen ermöglicht die „Lärmsanierung“ Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen. Die Lärmsanierung ist eine freiwillige Leistung der Straßenbauverwaltung auf der Grundlage haushaltsrechtlicher Regelungen. Lärmbetroffene Eigentümer können bei Überschreitung der relevanten Auslösewerte eine Erstattung der notwendigen Aufwendungen für passive Lärmschutzmaßnahmen beantragen. Die Höhe der Erstattung ist dabei auf 75% der erforderlichen Aufwendungen begrenzt. Die rechnerische Ermittlung der Lärmbetroffenheiten erfolgt gemäß 16. BlmSchV aktuell mit Hilfe des
Berechnungsverfahrens der „Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen“ (RLS-19), Ausgabe 2019.
Thüringer Lärminformationssystem (ThüLIS)
Zur effektiven und ausgewogenen Verteilung der für die Lärmsanierungsprogramme des Bundes und des Freistaates Thüringen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, ist eine Priorisierung der Lärmbetroffenen erforderlich.
Mit der Aktualisierung der 16. BlmSchV und der Einführung der RLS-19 ergab sich für die Straßenbauverwaltung des Freistaates Thüringen die Notwendigkeit zur Schaffung einer modernen und ausbaufähigen IT-gestützten Berechnungs- und Analyseplattform zur rechnerischen Ermittlung der Lärmeinwirkungen auf die schutzwürdigen Nutzungen in den Ortsdurchfahrten der bestehenden Bundes- und Landesstraßen.
Mit dem „Thüringer Lärminformationssystem“ (ThülIS) wurde auf Basis der derzeit aktuellen Berechnungsvorschriften ein solches Berechnungs- und Analysetool entwickelt, welches auch zukünftig im Bedarfsfall kurzfristig auf einen sich ändernden aktuellen normativen Stand gebracht werden kann.
Zur Ermittlung der Dringlichkeiten bei der Lärmsanierung wird die Belastungssituation der Anwohner im Einwirkungsbereich der Bundes- und Landesstraßen beurteilt und nach Priorität gewichtet. Die Wichtung erfolgt durch ein Hotspot-Identifizierungsverfahren (Lärmkennziffer) in Abhängigkeit vom vorhandenen Pegel und der Anzahl der betroffenen Anwohner.
Die Lärmkennziffer² berechnet sich aus:
LKZ = Σni (Li -LS)
N: Gesamtzahl Betroffener
Li: Pegelwert für die Anzahl Betroffener n
² nach Bönninghausen und Popp, 1988
LS: Schwellenwert (aktueller Auslösewert nach VLärmSchR 97)
1. Modellaufbereitung
Nachdem ermittelt wurde, welche Daten zur Abbildung der Lärmkennziffer in ThüLlS notwendig sind, werden diese bei den zuständigen Behörden angefragt. Die benötigten Daten wie Gebäudekoordinaten, Adressdaten und Bewohnerzahlen werden vom Thüringer Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation sowie vom Eisenbahnbundesamt zur Verfügung gestellt.
2. Berechnung
Mit den berechneten Beurteilungspegel und der Anzahl der Lärmbetroffenen wird die Lärmkennziffer ermittelt und die Reihung bei der Lärmsanierung bestimmt.
3. Tabellarische Auswertung
Die berechnete Lärmkennziffer wird pro Straßenabschnitt in der Linienbandtabelle dargestellt. Zusätzlich kann nach zu priorisierenden Sanierungsabschnitten
sortiert werden.
4. Grafische Auswertung
Die Lärmkennziffer kann für jede Ortdurchfahrt und jeden Beurteilungszeitraum (Tag, Nacht) schnell erfassbar visualisiert werden.